KACEY MUSGRAVES
Die 61. Verleihung der Grammys im Februar 2019 hat Kacey Musgraves auf den Gipfel ihres bisherigen Erfolgs geführt. Mit ihrem aktuellen vierten Album Golden Hour gewann die Country-Singer-Songwriterin vier der begehrten Medientrophäen, darunter in der Königskategorie Album des Jahres. Umgehend stieg Golden Hour wieder in die US-amerikanischen Charts ein. Es sei „das am Meisten bewunderte Album, das die Music-City Nashville in vielen Jahren hervorgebracht habe“, urteilte die Country-Webseite The Tennessean.
Ihr Erfolg markiert eine überfällige 180°-Wende in der traditionell von Männern dominierten Welt der Country- und Americana-Musik. In ihrem Rückenwind, flankiert von Musikerinnen wie Maren Morris und Brandi Carlile, sind dort die Frauen auf dem Weg nach oben, und sie spielen dabei nach eigenen Regeln. Kacey Musgraves ist die Stimme einer neuen Generation und sie hat etwas zu sagen. Erstaunlich ist die Weisheit und Wortgewandtheit der Sängerin und Gitarristin. Mit ihrer natürlichen Stimme vorgetragen, klingen ihre Songs nach jemand, der gelebt hat. Musgraves´ enorm zeitgemäßes, nüchternes, sprachlich ausgefeiltes Songwriting, vorgetragen mit ihrer klaren, unprätentiösen Stimme, trifft den Nerv des US-amerikanischen Zeitgeists.
In der Countrymusik sei es schon immer um echte Menschen mit echten Problemen gegangen, erklärte Musgraves dem Wirtschaftsmagazin Forbes gegenüber. In dieser Tradition stehe sie und betonte, dass sie vor allem authentisch sein möchte. „Ich werde weiter über alles mögliche, das mich inspiriert schreiben, eventuell wird es nicht immer Country-typisch sein“, so die brünette 30-Jährige. “Ich liebe Worte“, kommentierte sie, “ich liebe es, wenn sie komplex werden. Sogar in einer ganz alltäglichen Unterhaltung schätze ich es, wenn die Sprache schillernd wird“. „Ich habe immer bedeutungsvolle Songs veröffentlicht“, sagte sie dem Billboard-Magazin, „jeder von ihnen hat irgendwie eine Message.““
2013, nach Veröffentlichung ihres ersten Studio-Albums Same Trailer, Different Park, kürte Amerikas Musikszene sie zur Newcomer-Queen. Das renommierte Billboard-Magazin ernannte die Texanerin zur Erbin der Country-Erneuerinnen Dolly Parton und Loretta Lynn. Same Trailer, Different Park ist ein Album mit Storys und Schnappschüssen einer jungen Frau der heutigen Mitte Amerikas. Und auch in Golden Hour geht es Musgraves um die unscheinbaren Heldinnen des Alltags, die Underdogs, Menschen, deren Leben keine Seifenoper ist, zuletzt auf ihrer Single „Rainbow“, in der sie einer allein erziehenden Mutter und einem Alkoholiker Mut zusingt.
Sie wuchs in einem kleinen Ort im Einzugsgebiet von Dallas auf: Golden in Texas. Einwohnerzahl 600. Ihre Eltern betreiben dort einen kleinen Papier-und Kopierladen. Kacey war ein frühreifes, kreatives, hoch musikalisches Kind, das seinen ersten Song in der Grundschul-Zeit schrieb (“er hieß “Notice Me“, bestätigt Musgraves). Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie mit neun in einer Kirche. Von dort ging es durch die “Opry“-Häuser der Region. “In Texas gibt es in jeder zweiten Stadt ein solches Opry-Haus“, erzählt sie. “Leute betreten die Bühne und singen alte Country-Songs mit einer Live-Band. Ich war jedes Wochenende dabei und lernte so, vor Leuten zu singen und mit Musikern zu arbeiten.“ Mit 12 bekam sie Gitarrenunterricht, und ihr Leben veränderte sich von da an erst richtig. Ihr Lehrer, ein gewisser John DeFoore, begriff schnell, dass sie keine Skalen üben würde und gab ihr stattdessen auf, jede Woche einen neuen Song zu schreiben, den sie in der Stunde analysierten. “Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie nützlich dieser Unterricht später für mich werden würde, als ich nach Nashville zog, um dort als Songwriterin zu arbeiten“, bemerkt Kacey, die mit 14 ihr selbst produziertes Debütalbum unabhängig veröffentlichte.
Zuerst ging es jedoch nach Austin. Kurz danach konnte Kacey in der Casting-Show “Nashville Star“ antreten, wo sie nur siebte wurde, aber den Geschmack von Nashville auf die Zunge bekam, in den Sog der kreativen Gemeinde der “Music City“ geriet, 2008 packte sie die Koffer. Um Geld zu verdienen, sang sie zunächst auf Demos, bot nebenbei ihre eigenen Songs an, und nicht lang danach hatte sie einen Publishing-Deal mit Warner/Chappell in der Tasche. “In dieser Zeit schrieb ich hunderte Songs und legte diejenigen beiseite, die am meisten zu mir selbst passten.“
Die ersten Vorstöße von ortsansässigen Labels, sie als Albumkünstlerin zu etablieren, ließ Kacey nach einigen Sessions (mit namhaften Produzenten) im Sand verlaufen. “Die Zeit war damals noch nicht reif“, sagt sie. In dieser Zeit traf sie in den Songwritern Luke Laird und Shane McAnally (Lee Ann Womack) zwei Freunde und Seelengefährten. 2011 hatten sie den Grundriss von Same Trailer, Different Park im Kasten, nahmen vier Tracks auf und gingen Klinken putzen. Diverse Labels zeigten sich interessiert, darunter auch Lost Highway, wo Kacey zusagte, das dann aber tragischerweise zumachte. Den Zuschlag bekam Mercury Nashville.
Nachdem sie in den USA mit lebenden Country-Legenden wie Willie Nelson und Alison Krauss auf Tour ging, bog sie 2014 mit der Popsängerin Katy Perry um 180 Grad ab, die Medien überschlugen sich. „Ich habe mehr gesehen und gemacht als ich je zu träumen gewagt hätte“, sagt Musgraves. Indes: „Kacey Musgraves wird sich auch künftig nicht aalglattem Charts-Pop widmen“, resümiert Country-Music-News.de. „Wer sich mit solchem Selbstbewusstsein, solcher Stimme und Band traditioneller Country Music hingibt, hat das überhaupt nicht nötig.“
Tief im Herzen sei sie noch das Mädchen aus Golden, singt sie auf „Dime Store Cowgirl“ aus ihrem letzten Album Pageant Material, und man glaubt es ihr immer noch, auch wenn Kacey Musgraves heute hohe Kreise am Himmel der Stars zieht.